Führungspositionen in Teilzeit sind sehr selten. Das merke ich jede Woche, wenn ich für meinen Newsletter anspruchsvolle Teilzeitstellen zusammensuche.
Ich bin aber überzeugt und – und werde durch meine Erfahrung darin bestätigt -, dass Führen in Teilzeit wunderbar klappen kann. Um meine eigene Wahrnehmung mit dem echten Leben da draußen abzugleichen, habe ich in meinem Newsletter und auf LinkedIn gefragt, wer mir denn von seinen Erfahrungen als Teilzeitkraft berichten möchte.
Vielen Dank an alle, die sich gemeldet haben. Ich habe mit sieben Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen und Beschäftigungsverhältnissen telefoniert. Das zeigt mir, dass Führungspositionen in Teilzeit prinzipiell überall möglich sind:
- in einer selbst gegründeten Genossenschaft
- in einem schnell wachsenden Startup
- in einem mittelständischen IT-Dienstleister
- in einem großen Wachstumsunternehmen
- in einem Großkonzern
- und im öffentlichen Dienst
Die einzelnen Erfahrungen sind naturgemäß sehr verschieden und durch das Umfeld bestimmt: So unterscheiden sich zum Beispiel die Herausforderungen von einer im Jobsharing aufgeteilten Führungsposition sehr von einer Teilzeitkraft, die ihr Team alleine führt.
Trotzdem habe ich in den Gesprächen viele mir bekannte Herausforderungen und Chancen entdeckt, die wahrscheinlich sehr viele andere Führungskräfte in Teilzeit auch kennen:
Herausforderungen bei einer Führungsposition in Teilzeit
Spagat zwischen Teilzeitmodell und geforderter Erreichbarkeit
Termine, die außerhalb der eigenen Arbeitszeiten eingestellt werden, knappe Deadlines, die in freien Tagen liegen… Eine Organisation mit der Vollzeit als Norm (in der Führungskräfte oftmals noch deutlich mehr als 40 Stunden arbeiten) verlangt von Teilzeitkräften mit Führungsverantwortung oft einiges ab.
Natürlich wollen alle, dass die eigenen Projekte vorankommen. Und niemand möchte über Gebühr die „Teilzeitkarte ziehen“, um nicht als „Teilzeitmutti“ zu gelten. Andererseits arbeiten die meisten nicht aus Spaß weniger als 40 Stunden, sondern weil sie anderen Verpflichtungen gerecht werden möchten.
Hier souverän die Grenze zwischen geforderter Erreichbarkeit und den eigenen Arbeitszeiten zu ziehen, fällt meinen Gesprächspartner:innen mit steigender Erfahrung leichter. Home Office ermöglicht zudem, in Ausnahmefällen auch mal von zuhause außerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten zu arbeiten, wenn es wirklich wichtig ist.
Wenig Zeit für viele Aufgaben
Viele Führungskräfte in Vollzeit haben mehr zu tun, als in ihre vertraglich vereinbarten 40 Stunden passt. Oft arbeiten sie dann einfach mehr.
Dieser Weg ist Teilzeitarbeitenden versperrt. Schließlich warten die gerade erwähnten anderen Verpflichtungen.
Gleichzeitig dreht sich die Welt weiter, während Teilzeitkräfte nicht (im Lohnjob) arbeiten. Dadurch kann die Aufgabenflut in der Arbeitszeit der anderen noch weiter anwachsen.
Hinzu kommt noch, dass die Position oftmals eigentlich für eine Vollzeitkraft erdacht wurde und die Aufgaben nicht an die verringerte Arbeitszeit angepasst wurden.
Da hilft nur gute Organisation und eine vernünftige Priorisierung. Statt Perfektionismus ist die 80/20-Regel (80 % der Ergebnisse werden mit 20 % des Gesamtaufwandes erzielt) angebracht.
Effiziente Kommunikation als Notwendigkeit
Weniger Zeit in der Arbeit bedeutet auch weniger Zeit für die Kommunikation. Die Zeitfenster, in denen sich alle sehen können, sind oft klein. Insbesondere wenn im Team noch weitere Teilzeitkräfte dabei sein. Ausufernde Team-Meetings sind deswegen einfach nicht möglich.
Hinzu kommt noch, dass bei den im Jobsharing besetzten Führungspositionen die Abstimmung mit der Tandempartner:in viel Zeit frisst.
Meine Gesprächspartner:innen behelfen sich mit einer Disziplinierung der Meeting-Formate und klaren Strukturen und Rollen, die Abstimmungsprozesse verkürzen.
Chancen bei einer Führungsposition in Teilzeit
Die meisten meiner Gesprächstpartner:innen haben aber auch von positiven Aspekten erzählt:
Anerkennung von Teilzeitmodellen
Mitarbeitende in Teilzeit können ihre eigene Teilzeit-Rolle mehr als Selbstverständlichkeit und weniger als besondere Gunst, die ihnen großzügig gewährt wurde, annehmen, wenn der Chef oder die Chefin selbst in Teilzeit arbeitet.
Gleichzeitig kennen Chef:innen in Teilzeit natürlich die besonderen Herausforderungen einer Teilzeitstelle aus eigener Erfahrung und haben deswegen mehr Verständnis für Teilzeitkräfte.
Vertrauen und Entwicklungsmöglichkeiten für das Team
Führungskräfte in Teilzeit haben keine Zeit für Mikro-Management und kleinliche Kontrollen, sondern sind gezwungen, ihrem Team zu vertrauen.
Deswegen befähigen sie ihr Team, schicken Mitarbeitende in Meetings, geben Kompetenzen ab und zeigen Entwicklungsmöglichkeiten auf.
Shared Leadership bringt viele Vorteile
Schließlich haben fast alle im Tandem arbeitenden Führungskräfte ein flammendes Plädoyer für Jobsharing gehalten: Es ist total genial, sich Führung zu teilen, sich gegenseitig abzusichern und auch den Frust zu teilen. Außerdem lassen sich Ausfälle leichter kompensieren und mit einem 4-Augen-Prinzip passieren weniger Fehler.
Insgesamt sorgt Shared Leadership für verschiedene Perspektiven und verteilt die Last auf mehrere Schultern. So spürt die einzelne Person weniger Druck.
Außerdem ist es einfach schön, jemanden zu haben, der oder die genau die gleichen Interessen im Unternehmen teilt wie man selbst.
Fazit
Meine kleine Forschungsreise zu anderen Führungskräften in Teilzeit hat mir gezeigt, dass Führen in Teilzeit tatsächlich wunder klappen kann. Mein Eindruck dabei ist allerdings, dass Führungspositionen in Teilzeit eine harte Schule sind: Wer unter den verschärften Bedingungen der Teilzeit einen guten Job macht, bekommt noch ganz andere Sachen hin.
Gleichzeitig verfestigt sich mein Eindruck, dass Teilzeitkräfte eine Art Frühwarnsystem für Unternehmen sind. Bei Leuten mit weniger Zeit fallen Probleme in der Organisation schneller und drängender auf: zu viele Meetings, ineffiziente Kommunikation, unklare Rollen und zu viele Aufgaben.
Wenn ein Unternehmen hingegen dafür sorgt, dass Führen in Teilzeit gut klappt, dann profitieren alle. Denn wer ist kein Freund von zielführenden Meetings, klarer Kommunikation und effizienter Strukturen?
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