Wer sich mit anspruchsvollen Teilzeitstellen beschäftigt, landet zwangsläufig irgendwann beim Thema Jobsharing. Wie der Namen schon sagt, teilen sich hierbei mehrere Personen eine Position. Dadurch können Teilzeitkräfte auch Positionen besetzen, die eine hohe Verfügbarkeit voraussetzen.
So arbeiten viele Führungskräfte in Teilzeit in einem Tandem, wie ich auch bei meiner eigenen Recherche herausgefunden habe.
Um mehr über Jobsharing, dessen Vorteile, und wie man eine solche Position bekommt, zu erfahren, habe ich mit Svenja Christen gesprochen.
Svenja ist einer der führenden Köpfe zu diesem Thema in Deutschland und hat die Debatte um und Verbreitung von Jobsharing mit ihrer Beratungsfirma The Jobsharing Hub maßgeblich mitgeprägt. Vor kurzem hat sie ein weiteres Start-up gegründet, das die Stellenbesetzung im Jobsharing deutlich vereinfachen und skalierbar machen möchte: PairToShare.
Wie bist du selbst auf das Thema Jobsharing gekommen?
Einerseits weil ich Personalerin bin und das Thema in dieser Rolle schon lange auf dem Schirm hatte. Andererseits bin ich selbst in die Situation gekommen, dass ich anders arbeiten wollte.
Nach der Geburt meines ersten Kindes bin ich fast Vollzeit wieder eingestiegen und habe noch zusätzlich eine Coaching-Ausbildung angefangen. Das war der Moment, in dem ich gesagt habe: „Ich möchte gerne reduzieren, aber nicht meine Verantwortung abgeben.“ Und das wäre mit einer Stundenreduktion einhergegangen. So ehrlich muss man sein.
Deswegen habe ich mich mit meiner Vorgesetzten zusammengesetzt und ein Modell ausgeklügelt. Zum Glück hatte ich eine tolle Vorgesetzte, die bereit war, dass ich meine Stelle öffne und eine Tandempartner:in suche.
Die habe ich auch gefunden und dann anderthalb Jahre mit ihr im Jobsharing-Modell gearbeitet. Von Anfang an war das Ziel, dass sie danach meine Stelle übernimmt und ich mich in eine andere Position weiterentwickele. Dazu kam es letztlich jedoch nicht, weil ich das Modell so toll fand, dass ich The Jobsharing Hub gegründet habe.
Was sind denn aus deiner Sicht die Vorteile von Jobsharing?
Ganz viele.
Wichtig ist mir, dass es nicht nur die Vorteile sind, die „normale Teilzeit“ mit sich bringt: mehr Zeit für sich, bessere Work-Life-Balance, weniger Stress…
Denn reguläre Teilzeit bringt leider auch sehr viele Nachteile mit sich. Das ist nicht fair, das ist nicht gerecht, aber es ist leider so.
Wenn die ganze Organisation als Vollzeit-System agiert, dann liegen Termine oft außerhalb der eigenen Verfügbarket, dann gehen mit Teilzeit weniger Karrierechancen einher, und dann liegt sehr viel Druck auf der Teilzeitkraft. Also bringt Teilzeit oft ein großes Gefühl der Zerrissenheit.
Das ist es, was Jobsharing überbrückt und anders macht, weil man hier wirklich als Team agiert und diese Nachteile der Teilzeit aufwiegt.
Zusätzlich ist mir aber auch wichtig, dass Jobsharing eine andere Art zu arbeiten ist. Es ist hochgradig kollaborativ und baut auf sehr enges Sparring mit seinem Tandempartner/seiner Tandempartnerin.
Jobsharing ist eben nicht die bloße Aufteilung des Jobs, sondern die gemeinsame Verantwortung für alles, was der Job mit sich bringt. Deshalb gibt es ganz viele zusätzliche Effekte:
- Das Sparring bringt viel Learning on the Job.
- Gerade auf sehr hohen Positionen haben wir ein starkes Einsamkeitsphänomen, das dadurch abgefedert wird.
- Wir ermöglichen Wissenstransfer, der in ganz viele Richtungen geht.
In unserer Arbeit mit The Jobsharing Hub haben wir z.B. Abteilungen mit einer übergeordneten Tandem-Rolle zusammengeführt. Diese Abteilungen haben plötzlich agil und kollaborativ miteinander gearbeitet, auch die Ebenen darunter. Wir haben damit Silos in Unternehmen aufgebrochen, die nicht sein müssten und die nachteilig waren.
Auch haben wir es dank des Modells geschafft, dass Menschen sowohl in Führungspositionen gemeinsam im Jobsharing arbeiten können als auch eine Ebene darunter gemeinsam in der Fachlichkeit. Damit lassen sich Fach- und Führungskarrieren miteinander verbinden.
Darüber hinaus lassen sich mithilfe des Jobsharing-Modells Unternehmensaustritte begleiten , sodass Belegschaftsüberalterung und auch Wissensverlust abgefedert werden können.
Das sind sehr klare Mehrwerte für personalstrategisch hochgradig relevante Fragen.
Was sind die Voraussetzungen, damit es klappt? Es kann ja auch nicht klappen, zum Beispiel, wenn sich das Tandem nicht versteht.
Eine Voraussetzung ist die Grundbereitschaft des Unternehmens und des Umfelds, in dem ein Tandem entsteht. Das heißt nicht, dass alle „juhu“ schreien müssen und alles schon perfekt etabliert und vorbereitet ist. Aber es muss eine Offenheit da sein und die Vorgesetzten sollten nicht nur um des lieben Friedens willen zustimmen.
Außerdem ist noch wichtig, dass jeder Tandempartner/jede Tandempartnerin als Einzelperson überhaupt der Typ für das Modell ist.
Was muss man da für ein Typ sein?
Wichtige Eckpunkte sind:
- dass man grundsätzlich bereit ist, Vertrauen zu einer anderen Person aufzubauen,
- dass man loslassen und abgeben kann,
- dass man sich nicht profiliert gegenüber dem/der Partner:in.
Das heißt, auch wenn der/die Tandempartner:in Mist gebaut hat, stehen beide dafür gerade; wenn der/die Tandempartner:in was richtig Tolles gemacht hat, könnt ihr es beide gemeinsam als Erfolg feiern. Im Jobsharing-Modell zu arbeiten bedeutet, noch mehr in einer Rolle zu agieren.
Damit gibst du einen Tick Individualität her, ohne die natürlich komplett zu verlieren. Aber es gibt durchaus gemeinsame Leistungsziele, an denen du als Tandem gemessen wirst. Das muss man schon können. Wenn jemand ein Alphatier und ein Ellenbogen-Typ ist, wird er es wahrscheinlich nicht können. Und deshalb sollte jeder erstmal seine individuelle Eignung prüfen.
Zurück zu deiner vorherigen Frage zu den Voraussetzungen für gelungenes Jobsharing: Das Matching muss passen. Dabei kommt es auf gemeinsame Grundwerte an. Außerdem ist noch wichtig, um welche Position es sich handelt. Vielleicht könnten wir beide, Moritz, uns super matchen, wenn es um Positionen X geht, aber es passt überhaupt nicht mit uns beiden, wenn es um Position Y geht. Insgesamt gibt es da verschiedene, inzwischen auch wissenschaftlich erarbeitete, Dimensionen.
Was sind die wichtigsten Kriterien für das Matching?
Kurz zusammengefasst: Die gemeinsamen Werte sind das Entscheidende, ebenso wie gemeinsame Vorstellungen und Ansprüche, auch an Leistungen und Arbeitsergebnisse.
Außerdem natürlich die Hard Facts, wie zum Beispiel: Passen die Arbeitszeiten zueinander? Wenn ich zwei von den gemeinsamen Werten gut zueinander passende Personen habe, die aber beide um 13:00 Uhr los müssen, und gleichzeitig die Position eine Vollzeit-Abdeckung braucht, dann passt es leider doch nicht.
Mein Eindruck ist, dass ganz wenige Jobsharing-Modelle ausgeschrieben werden. Teilst du diesen Eindruck? Und falls ja, warum ist das so?
Ich teile den Eindruck, wenn ich das zu Vollzeit-Ausschreibungen ins Verhältnis setze. Und ich würde mir das anders wünschen, nämlich, dass ab einer gewissen Stellenebene grundsätzlich im Jobsharing-Modell ausgeschrieben wird.
Das bringt aber mit sich, dass Unternehmen damit umgehen können, wenn Bewerbungen eingehen. Das heißt, es sollte ehrlich gemeint sein und nicht nur ein Lippenbekenntnis. Sonst bemühen sich Jobsharer:innen, werben um Tandempartner:innen und am Ende ist es gar nicht umsetzbar.
Aber wenn ich das mal auf eine Zeitschiene lege, dann hat sich da unglaublich viel getan. Es gibt immer mehr Unternehmen, die im Tandem-Modell ausschreiben und da auch wirklich einen Mechanismus dahinter etabliert haben. Zum Beispiel hat die Deutsche Bahn eine ganz große Drehung gemacht. Das finde ich eine schöne und positive Entwicklung.
Also wenn ich jetzt zum Beispiel bei LinkedIn eine Stelle von der Deutschen Bahn sehe, wo drin steht, die Stelle kann grundsätzlich in Jobsharing ausgeübt werden kann, dann ist das wirklich so. Dann muss ich wen finden, der oder die das mit mir gemeinsam machen will und dann können wir uns da gemeinsam bewerben.
Richtig, das kann ich unterschreiben. Bei der Deutschen Bahn wäre das so.
Dann gibt es aber auch Unternehmen, die einfach den Zusatz Jobsharing in der Stellenausschreibung mit drin haben und sonst steckt nichts dahinter. Wenn deine Bewerbung dann bei einer Führungskraft mit großer Skepsis zum Jobsharing eintrudelt, dann werdet ihr da abgeblockt. Das ist natürlich sehr frustrierend, weil hinter einer Bewerbung als Tandem eine große Mühe steckt.
Deswegen werbe ich immer dafür, erst Stellen im Jobsharing auszuschreiben, wenn Unternehmen wirklich bereit dazu sind und das nicht nur als Feigenblatt für die Stellenausschreibung sehen.
Bei regulärer Teilzeit ist mein Gefühl, dass man auch bei in Vollzeit-Teilzeit ausgeschriebenen Stellen keine faire Chance als Teilzeitkraft hat, weil die Unternehmen lieber wen in Vollzeit beschäftigen.
Wie schätzt du das bei Jobsharing ein? Hat man da als Tandem eine faire Chance? Es ist ja auch mit Aufwand für die Unternehmen verbunden, da man zwei Leute statt eine Person hat, um die man sich kümmern muss.
Wenn ein Unternehmen an dem Punkt ist, dass es zwei Leute als Aufwand betrachtet und nicht als Gewinn, dann ist das schwierig. Es ist nämlich ein Gewinn.
Ein professionelles Tandem entzieht nämlich Komplexität und verringert den Aufwand für sein Umfeld: Das Umfeld, zum Beispiel die Führungskraft, muss sich keine Gedanken machen, welche Person im Tandem was macht und wer gerade verfügbar ist. Jobsharing bedeutet, ich habe eine Thema und platziere das immer an die gleiche Email-Adresse, die gleiche Telefonnummer, den gleichen Chat und bekomme immer eine Antwort. Oftmals bekomme ich sogar eine bessere Antwort als bei der Vollzeitkraft, weil die Antwort im Zweifel nochmal gegengecheckt wurde.
Aber natürlich funktionieren Unternehmen so, wie sie eben funktionieren. Da sitzt dann manchmal ein Hiring-Manager, der so und so viel Headcount oder FTE (Full-Time-Equivalent) zur Verfügung hat. Und da liegt das Tandem eben bei zwei Köpfen oder 120-140% einer Vollzeitstelle, weil es für ein Tandem ein bisschen Überhang braucht.
Deshalb, um auf deine Frage zurückzukommen: Ich und viele Unternehmen, die Jobsharing ausprobiert haben, wissen, was für ein Riesengewinn ein Tandem ist und dass es die Stellenbesetzung nicht wackliger, sondern stabiler macht. Aber wir sind noch eher in der Phase, in der es die meisten nicht wissen. Und deshalb würde ich sagen: Ja, wahrscheinlich sind Tandems im statistischen Mittel noch einen Tick benachteiligter gegenüber Vollzeit-Bewerbungen.
Aber das ist falsch. Wenn sich bei mir ein gutes Tandem bewerben würde und es würde mir beweisen, warum es gut ist und was es gut kann, dann würde ich das sofort einer Vollzeitkraft vorziehen. Weil ich wüsste, ich habe als Führungskraft viel weniger Arbeit und viel bessere Ergebnisse.
Mit deinem eigenen Start–up PairToShare möchtest du die Chancen von Jobsharer:innen und Tandems auf dem Stellenmarkt erhöhen. Wie funktioniert das und was macht PairToShare im Jobmarkt einfacher?
PairToShare hat es sich zum Ziel gesetzt, sowohl den Bewerbenden als auch den Unternehmen den Aufwand rund um eine Tandem-Besetzung abzunehmen. Solange die Ausschreibung und Besetzung im Jobsharing komplizierter ist als eine Vollzeitbesetzung, dann ist das ein Hindernis. Das ändern wir mit einer technologischen Lösung.
Wir automatisieren den Prozess für Unternehmen, eine Vollzeitausschreibung zusätzlich noch im Jobsharing auszuschreiben. Gleichzeitig machen wir es möglich, dass sich Menschen auf Basis ihres gemeinsamen Stelleninteresses sehr schnell und intensiv über unseren Matching-Algorithmus kennenlernen und sich dann als Tandem bewerben. Diese Bewerbung landet dann auch direkt im Bewerbermanagementsystem des Unternehmens.
Wir wollen den ganzen Prozess für beide Seiten so niedrigschwellig wir möglich machen und gleichzeitig die Qualität hochhalten. Also dass sich reflektierte und gut zusammenpassende Tandems bewerben und dass die Unternehmen auch die internen Prozesse bereithalten, um die Stellen im Jobsharing zu besetzen.
Seit März sind wir in der offenen Beta-Phase und jede:r Interessierte ist herzlich eingeladen, sich anzumelden und es auszuprobieren. Wir haben drei Unternehmen auf der Plattform. Also gibt es auch schon Stellen zu finden.
Viel Erfolg weiterhin und vielen Dank für das Gespräch, Svenja!
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