Das Angebot an anspruchsvollen Teilzeitjobs ist alles andere als üppig. Ich frage mich schon länger, woran das eigentlich liegt.
Wir haben doch einen überall spürbaren Arbeitskräftemangel und die Nachfragen nach Teilzeitjobs ist groß. Was hindert Unternehmen daran, Karriere in Teilzeit zu ermöglichen? Wie kann es trotz der Bremsklötze klappen?
Darüber habe ich mich mit Johanna Fink unterhalten.
Seit 2020 beschäftigt sichJohanna intensiv mit dem Thema Vereinbarkeit und hat mit TEILZEIT.TALENTE deutschlandweit die erste Organisationsberatung zum Thema Teilzeitführung gegründet.
Wie bist du auf das Thema Teilzeit gekommen?
Ganz einfach, ich habe selber viele Jahre als Teilzeitführungskraft gearbeitet.
2015 bin ich das erste Mal Mutter geworden und wurde in der Schwangerschaft gefragt, ob ich eine Führungsposition übernehmen möchte. Dann habe ich habe zu meinem Chef damals gesagt: „Ja, will ich gerne, aber ich kriege jetzt erst mein Kind.“ Und die Antwort war dann: „Ja, okay, wann kommst du wieder und fängst dann an?“
Ich war dann ein halbes Jahr zu Hause. Dann hat mein Mann Kind und Haushalt übernommen und ich bin mit 30 Stunden in die Führungsposition eingestiegen. Ich habe das dann viele Jahre mit dieser Stundenanzahl gemacht. Das lief sehr, sehr gut im Team. Im Unternehmen sind wir zu einer Art Leuchtturm geworden. Wir waren die Ersten, die das so gemacht haben. Auch in der Kombination mit Remote Work, was auch damals in meiner Organisation ein No-Go war.
2019 habe ich ein zweites Kind bekommen und bin in einem Tandem zurückgekehrt. Also, ich habe Führung in Teilzeit in verschiedenen Modellen selbst erlebt.
Ich beobachte, dass auch heute noch Unternehmen und Mitarbeitende dem Thema Führung in Teilzeit eher skeptisch gegenüberstehen. Wie ist da dein Eindruck?
Den Eindruck teile ich.
Warum ist das so?
Da habe ich verschiedene Hypothesen. Aber um mal Zahlen in die Debatte zu bringen: Ungefähr 15 Prozent aller Führungskräfte in Deutschland arbeiten in Teilzeit.
Das ist ein fixer Anteil, auch schon seit Jahren. Das Spannende ist, es gibt schon eine große Masse an Unsichtbaren, zu 97 Prozent Frauen, die in Teilzeit führen und die bisher nicht weiter auffallen. Wir müssen sichtbar machen, dass es dieses Modell schon lange gibt und dass es einfach nur an Sichtbarkeit mangelt.
Insgesamt haben wir eine Teilzeitquote in Deutschland von ungefähr 30 Prozent. Das heißt, wir haben ungefähr 50 Prozent weniger in Führungspositionen als in normalen Jobs. Und das lässt mich darauf schließen, dass es da eine Lücke gibt.
Und es ist nicht so, dass wir generell sagen können, nur weil ein Mensch Führungskraft ist, will er nicht in Teilzeit arbeiten. Das ist Quatsch, weil bei ganz viele Menschen, die in der heißen Karrierephase sind, Familienphase und Karriereentwicklung aufeinandertreffen. Das war bei mir auch so. Da ging es wirklich im selben Jahr mit beiden Themen los.
Das ist oft unglaublich anstrengend und eine Zeit, in der Teilzeit eine große Entlastung bringen kann für Mütter wie Väter.
Auf noch eine Sache möchte ich aufmerksam machen: Im aktuellen Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit wurden Unternehmen unter anderem gefragt, wie schwierig es ist, Führungspositionen zu besetzen: 50 Prozent aller Unternehmen geben an, dass es für sie schwierig ist.
Wenn man sich diese Zahlen in Kombination anschaut, dann ist für mich ein logischer Schluss: Das Thema Führung in Teilzeit muss Unternehmen heutzutage interessieren.
Was sind die Vorteile, Führungspositionen in Teilzeit zu besetzen?
Ich beleuchte da immer gerne beide Seiten, weil meiner Meinung nach ist Karriere in Teilzeit ein Win-Win für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Und so muss man es auch betrachten. Ich kann mich erinnern, als ich damals gestartet bin, habe ich mir noch gedacht: „Oh Gott, wie dankbar muss ich eigentlich sein, dass ich in Teilzeit Karriere machen darf?“
Diesen Gedanken habe ich aus meinem Kopf gestrichen. Und das würde ich auch jeder Teilzeitführungskraft raten, die heute unterwegs ist. Weil dieser Gedanke einfach falsch ist und ein Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerseite erzeugt.
Für den Mitarbeiter ermöglicht es die Vereinbarkeit von Familie und Karriere. Wenn man sich Zahlen zum Thema Gender-Pay-Gap, Gender-Care-Gap und Gender-Pension-Gap anschaut, sieht man ja, dass wir in Deutschland immer noch ein Riesenproblem damit haben und Frauen aus der Karriereentwicklung rausfallen, sobald sie das erste Kind bekommen.
Da bietet Führung in Teilzeit für die Führungskraft eine gute Möglichkeit: Ausgehend vom klassischen Modell kann ich als Mann weniger arbeiten, als Frau mehr arbeiten. In der Regel haben beide dann trotzdem einen guten Rentenanspruch. Beide können sich gleichberechtigt in die Care-Arbeit einbringen, können Zeit mit ihren Kindern verbringen, was viele Männer heute auch wollen. Also: Es gibt ganz viele Vorteile auf der privaten Seite.
Aber auch Unternehmen profitieren. Zum einen natürlich durch Employer Branding. In vielen Studien sagen über zwei Drittel der Mitarbeitenden: „Das Thema Vereinbarkeit generell ist für mich ein wichtiger Faktor bei der Arbeitgeberwahl.“ Vereinbarkeit ist interessanterweise unabhängig von der Elternschaft zum Thema geworden, weil da auch ganz andere Fragen wichtig sind: Kann ich nebenher einem Hobby nachgehen? Will ich vielleicht einen Triathlon laufen? Und kann ich mich apäter um meine Eltern kümmern?
Zum anderen helfen Karrieremöglichkeit in Teilzeit bei der Mitarbeiterbindung. Auch da habe ich gerade wieder aktuelle Zahlen gesehen: Die Wechselwilligkeit von Mitarbeitern sinkt massiv, wenn die mit dem Thema Vereinbarkeit zufrieden sind. Mitarbeiter zu verlieren ist aus meiner Sicht noch schlimmer als Mitarbeiter nicht anzuziehen.
Der dritte Punkt, den man auch nennen muss, den ich aber gerne eher hinten anstellen, ist das Thema Diversität. Wir haben in Zwischenzeit verpflichtende Frauenquoten in bestimmten Bereichen. Als Unternehmen kann ich diese Quoten nur erfüllen, wenn ich Frauen auf den unteren Führungsebenen heranziehe. Wo sollen die sonst herkommen? Auch da gibt es spannende Studien, die belegen, dass Führungspositionen mit Frauen ganz oft extern besetzt werden, weil es im Unternehmen keine gibt.
Zusätzlich gibt es das Argument, dass Menschen in Teilzeit oft produktiver sind, weil sie weniger Zeit haben. Da gibt es ja auch genug Studien, die zeigen, dass so und so viel Zeit einfach sinnlos auf der Arbeit verdaddelt wird und Unternehmen mit einer Vier-Tage-Woche mindestens genauso produktiv sind wie mit einer Fünf-Tage-Woche. Wie siehst du das?
Ich habe auch mal so argumentiert. Und wenn ich an meine Karriere zurückdenke, hat die zu einem großen Anteil genauso funktioniert. Ich glaube auch, wir können Arbeit in vielen Unternehmen viel effizienter gestalten. Und es ist auch sinnvoll, das zu tun. Davon profitieren nämlich alle Mitarbeitenden und nicht nur die Teilzeitkräfte. Das ist immer ein Baustein, den ich mir angucken kann.
Gleichzeitig bin ich nicht mehr gewillt zu argumentieren: „Stellt euch eine Teilzeitkraft ein, die ist billiger als eine Vollzeitkraft.“ Das ist einfach nicht in Ordnung. Und das ist nicht das, wo wir hin müssen. Sondern wir müssen zu einer fairen Bezahlung für Teilzeitkräfte.
In meiner Podcast-Folge zu Beratung in Teilzeit, hat die Unternehmensberatung Cassini erzählt, dass sie die Bonuskappung für Teilzeitkräfte abgeschafft haben. Das ist der richtige Weg. Die haben nämlich gesehen: „Hoppala, wenn jemand in 30 oder 35 Stunden unterwegs ist, dann kann der genau dieselben Ziele erreichen wie ein Vollzeitmitarbeitender. Wenn ich dem jetzt den Bonus kappe, das ist einfach nur Schikane.“
Wir wissen: Geld ist ein Hygienefaktor, nicht mehr und nicht weniger! Das heißt aber auch, wenn ich an der Stelle meinen Soll als Arbeitgeber nicht erfülle und wenn ich Teilzeitkräfte im Endeffekt aktiv benachteilige, indem ich sie schlechter bezahle, dann brauche ich mich auch nicht wundern, wenn die Leute unzufrieden werden.
Mein zweiter Punkt dazu ist das Thema Mental Health und Mental Load. Menschen, die in der Familiengründungsphase stecken oder aber auch die Pflegeverantwortung übernehmen, die sind privat oft schon belastet. Und wenn ich dann auch noch auf der Arbeit wie eine Zitrone ausgepresst werde, indem ich so produktiv wie möglich arbeite, und überhaupt nicht mehr schnaufen kann, dann ist es auf Dauer einfach nicht gesund.
Das deckt sich mit den Ergebnissen einer kleinen Umfrage, die ich unter meinen Newsletter-Abonnenten:innen zu Führung in Teilzeit gemacht habe. Da kam raus, dass es schon wirklich anstrengend ist, als Führungskraft in Teilzeit zu arbeiten, weil man eben einen sehr verdichteten Arbeitstag hat. Aber das ist leider eine Realität, der man sich in vielen Unternehmen einfach stellen muss. Wie kann man es Führungskräften in Teilzeit leichter machen, dass sie sich eben nicht wie eine Zitrone ausgepresst fühlen?
Ganz einfach: Indem man für einen Fit von Arbeitsvolumen und Arbeitszeit sorgt, so platt es klingt.
Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten: Man kann Effizienzvorteile generieren, indem man schaut, wie die Prozesse insgesamt als Team im Unternehmen effizienter gestalten werden können. Da können durchaus ein paar Stunden pro Woche rauspurzeln.
Außerdem gibt es die Möglichkeit des Jobsharings, das mehr beinhaltet, als dass sich zwei 50%-Kräfte eine Stelle teilen. Die Realität ist oft, dass Menschen in Arbeitszeitanteilen von 60 bis 80 oder sogar 100% zusammen auf Führungspositionen arbeiten, teilweise auch sehr viele Jahre gemeinsam und sich weiterentwickeln als Tandem
Die dritte Möglichkeit, die aus meiner Sicht viel zu wenig genutzt und viel zu unbekannt ist, ist eine Entlastung durch Stellvertretende im Team. Das habe ich auch lange genutzt, um eine inhaltliche oder eine zeitliche Vertretung zu geschaffen: Freitags, wenn die Führungskraft nicht da war, ist jemand anders der Chef. Das ist ein super Personalentwicklungsinstrument. Es schafft wirkliche Entlastung und gibt gleichzeitig Menschen, die sich für Führung interessieren, die Möglichkeit, da reinzuwachsen.
Eine vierte Möglichkeit ist das Thema Shared Leadership, also mehr Verantwortung auch ins Team zu geben. Das ist aber etwas für Unternehmen, die sich schon mit Themen wie Agilität und moderner Führung auseinandersetzen. Dann ist das ein nächster Schritt und kann unglaublich gut funktionieren.
Aber eigentlich der wichtigste Punkt ist, sich erst mal darüber klar zu werden, wie es laufen soll. Und nicht einfach jemanden in 30 Stunden auf einer Vollzeitstelle einzustellen und dann darauf vertrauen, dass es schon gut gehen wird. Das ist das, was ich in der Praxis immer noch sehe. Die Erwartungen aneinander zu klären und einfach von Anfang an aktiv tragbare Lösungen zu suchen, das ist eigentlich der Kernpunkt. Und der wird ganz oft nicht gemacht. Das ist das, was mich so immer noch erstaunt, muss ich sagen.
Aus Sicht der sich bewerbenden Teilzeitkraft, die es ja sowieso schon schwieriger hat, weil die Unternehmen lieber jemanden wollen, der in Vollzeit arbeitet: Ich kann verstehen, wenn die nicht ihre Chancen weiter schmälern will und sagt: „Ja, ihr müsst jetzt die Stelle umbauen, weil ich eben nur 28 Stunden arbeite.“
Ich verstehe das auch. Ich glaube aber, dass es besser ist, von Anfang an sehr transparent zu machen, was die eigenen Möglichkeiten sind und was man braucht, damit es gut funktioniert. Ich bin ja auch im Gespräch mit Menschen, die in als Teilzeitkräfte in Bewerbungsprozessen stecken und habe gerade auch wieder einen Podcast mit jemandem dazu aufgezeichnet. Die bestätigen meine Meinung.
Die kriegen dann zwar oft keinen Rückruf vom Headhunter, aber wenn es dann klappt, dann stimmt es auch langfristig. Wenn man sich hingegen so durchmogelt, dann geht es eher im Unternehmen schief. Deswegen glaube ich, dass wir uns selbst keinen Gefallen damit tun, wenn wir versuchen, es allen recht zu machen.
Wie können es Unternehmen Teilzeitkräften recht machen? Was macht für dich ein teilzeitfreundliches Unternehmen aus?
Teilzeit sollte aktiv angeboten werden. Als wirkliche Option und zwar für alle, egal auf welchem Level. Für Männer und Frauen. Und das heißt für mich auch, dass auf der Karriereseite nicht nur die Mutter mit dem glücklichen Baby auf dem Arm abgebildet ist, sondern vielleicht auch ein Vater oder ein Mensch, der irgendwas anderes tut.
Außerdem hilft es sehr, wenn man aus dieser klassischen Headcount und Stellendenke rauskommt. Das ist ein brutaler Bremsklotz und sorgt dafür, dass es in der Umsetzung kompliziert ist. Unternehmen, die sich agil aufstellen und Rollen im Unternehmen verteilen, haben es deutlich leichter. Die können Teilzeitpositionen oft ohne Schwierigkeiten besetzen.
Ein letzter, aber sehr wichtiger Punkt ist das Thema Vertretung. Ich habe es vorhin schon angesprochen: Es muss eine Vertretung geben. Wenn ich bin am Freitag nicht da bin, müssen wir uns im Vorhinein überlegen, wie wir in bestimmten Fällen reagieren. Was ist, wenn ein dringender Anruf kommt? Was ist, wenn der Chef was braucht?
Die Lösung kann nicht sein, dass ich jeden Freitag angerufen werde und anfange an in meinem Arbeitslaptop irgendwas rauszusuchen. Sondern die Lösung ist, sich von Anfang an zu überlegen, wo brauchen wir Vertretungsregelungen? Für welche Themen? Was hat Dringlichkeit? Wo brauchen wir es vielleicht auch nicht, weil das eigentlich warten kann?
Mein Eindruck ist leider, dass teilzeitfreundliche Unternehmen noch die Ausnahme sind. Woran liegt es? Was sind da die Bremsblöcke?
Die Bremsblöcke sind ganz klar die Unternehmens- und Führungskultur im Unternehmen, die bei uns oft immer noch sehr durch Anwesenheit und Karriere durch Überstunden geprägt sind. Da fallen so Sätze wie: „Führung ist nicht teilbar.“ oder „Führungskräfte müssen immer erreichbar sein.“ Und das sind Totschlagargumente. Das sind Totschlagargumente, die aber so pauschal nicht richtig sind. Wenn dann noch das Top Management nicht hinter Teilzeitmodellen steht, ist das sehr schwierig.
Was muss sich ändern, damit mehr Unternehmen teilzeitfreundlich werden?
Schon 2016 gab es eine Studie von Roland Berger, nach der Investitionen in Vereinbarkeit eine Rendite von 40 Prozent bringen. Das ist eine irre Zahl. Und trotzdem interessiert es keinen. Warum? Weil ich glaube, dass gesellschaftlich tief verankerte Glaubenssätze dahinterstehen: Wie hat Familie zu funktionieren? Was ist Führung?
Auf der anderen Seite argumentiere ich immer noch wirtschaftlich, weil ich glaube, die Unternehmen, die diese Glaubenssätze überwinden, massiv davon profitieren können. Ich glaube, dass ein Druck entstehen wird, von der Wirtschaft auf die Politik. Aktuell alimentieren wir ja immer noch ein Alleinverdiener- oder Zuverdienst-Modell. Und dass muss sich ändern, wenn wir mehr Teilzeitfreundlichkeit und damit Chancengerechtigkeit in den Unternehmen haben wollen.
Vielen, vielen Dank Johanna Fink!
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