Die Corona-Pandemie hat die Arbeitsbedingungen krass durchgeschüttelt: Home Office war keine freundliche Option mehr, sondern eine Notwendigkeit. Viele Menschen mussten zudem Kinder zuhause betreuen, so dass 40 Stunden pro Woche Erwerbsarbeit unrealistisch waren.
Während es für bestehende Firmen oft ein richtiger Stresstest war, sich auf diese Bedingungen einzustellen, könnten neu gegründete Firmen räumliche und zeitliche Flexibilität von Beginn an als Teil ihrer Arbeitskultur integrieren.
Ich beobachte, dass während der Pandemie gestartete Organisationen mobiles Arbeiten und Teilzeitmodelle eher beibehalten haben als solche, die in eine „alte Normalität“ zurückfallen können.
Ein Beispiel für eine solche Organisation ist addisca. addisca besteht zwar schon seit mehr als zehn Jahren als gemeinnütziges Institut, das Trainings in Präsenz durchgeführt hat.
Steckbrief addisca
Wir haben ein innovatives Mentaltrainingskonzept entwickelt, dass Menschen hilft, mehr mentale Flexibilität zu erlangen. Bei uns lernt man eine Kernkompetenz im Bezug auf den Umgang mit den eigenen Denkprozessen. Das reduziert Stress und schafft einen klaren Kopf im Beruf und Alltag.
gegründet im Januar 2021
Beschäftigtenzahl: 15
Davon in Teilzeit: 8
Davon überwiegend remote: 8
Offene Stellen: 1
Kontakt: Arne Reuter – reuter@addisca.de
In der Lockdown-Zeit Ende 2020, Anfang 2021 ist der heutige Mitgründer und COO Arne Reuter eingestiegen, auch mit dem Ziel, aus den Präsenztrainings digitale Produkte zu erstellen und mehr Firmen anzusprechen.
Um addisca größer aufzuziehen wurde aus dem Institut eine GmbH ausgegründet. Aus den fünf Leuten, die bis dahin komplett analog unterwegs waren, wurden bis heute 15, die überwiegend digital arbeiten.
Ich habe Arne gefragt, was die Chancen und Herausforderungen beim zeitlich und örtlich flexiblen Arbeiten sind, wie sie heute zusammenarbeiten und inwiefern der klassische Acht-Stunden-Tag überhaupt Sinn ergibt.
Persönlich zusammenkommen ist wichtig
Wie war es, mittem im Lockdown die ersten Leute einzustellen?
Wir mussten sehr viel digital machen, zum Beispiel auch die Vertragsunterzeichnung, und haben Leute eingestellt, die wir nie persönlich gesehen hatten. Das war schon ungewohnt.
Auf der anderen Seiten bietet es natürlich auch ganz andere Möglichkeiten, weil wir einen viel größeren Radius haben, um gute Leute zu finden.
Eine Herausforderung ist es vermutlich, sich gegenseitig im Team kennenzulernen und einen Teamspirit zu entwickeln, wenn man komplett remote arbeitet. Wie macht ihr das?
Das ist immer ein Thema gewesen. Am Anfang mussten wir gezwungenermaßen remote arbeiten. Inzwischen fahren wir ein hybrides Modell: Wir haben ein Büro in Hamburg. Einige Kollegen sind regelmäßig hier und andere einen Tag pro Woche. Manche arbeiten von weiter weg und sind fast immer im Home Office. Größere und wichtigere Meetings machen wir aber in Präsenz vor Ort. Wichtig sind auch unsere Team-Events. So waren wir zum Beispiel mal auf der Alster segeln.
Deswegen suchen wir zwar prinzipiell deutschlandweit nach guten Leuten, aber unser Hauptfokus ist schon der Norden. Es ist schön hin und wieder auch persönlich zusammenzukommen und dafür nicht erst eine neunstündige Bahnfahrt auf sich nehmen zu müssen.
Mehr auf die Fähigkeiten als auf die Arbeitszeit schauen
addisca bietet flexible Arbeitszeitmodelle an. Warum habt ihr euch dafür entschieden?
Das hat sich einfach ergeben, als wir relativ klein gestartet sind und nach den ersten Leuten gesucht haben. Wir haben mehr auf die Leute als auf die Arbeitszeit geschaut. Was bringen die für die Stelle mit? Und dann haben wir auch gerne jemanden in Teilzeit genommen. Das hat auch die Kosten geringgehalten, so dass wir direkt mit der Person starten konnten. Damit sind wir von Anfang an sehr gut gefahren.
Was ist denn bei euch die Mindestzeit, unter der es für euch keinen Sinn ergibt?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es bei jemandem, der einen Tag oder anderthalb Tage arbeitet, schwierig werden kann. Viele unserer Meetings liegen über die Woche verteilt. Da ist eine regelmäßige Teilnahme schwierig. Und selbst, wenn man sich abstimmt, geht durch Meetings zu viel Zeit verloren, sodass die Person nicht mehr viel schafft.
Für uns ergibt Teilzeit in der Regel ab 20 Stunden Sinn. Wir sind für alles zwischen 20 und 40 Stunden zu haben und gehen da gerne auf die individuelle Situation unserer Mitarbeitenden ein.
Was ist denn für euch die größte Herausforderung, wenn Beschäftigte nur 20 Stunden arbeiten?
Das bringt zwei Dinge mit sich.
Das eine ist die Abstimmung. Wann werden diese 20 Stunden gearbeitet? Grundsätzlich hat man bei uns eine (fast) komplett flexible Arbeitszeiteinteilung. Das heißt, in den fünf Arbeitstagen kann jeder seine Stunden dann abarbeiten, wann er möchte. Wir haben – je nach Beschäftigten – ein bis zwei fixe Meetings pro Woche, die man schon einplanen sollte.
Die größte Herausforderung für mich ist dann, wenn ich spontan etwas möchte. Bei Vollzeitbeschäftigten weiß ich, die kann ich jederzeit anrufen und dann Themen besprechen. Das kann ich bei Teilzeitbeschäftigten nicht.
Der zweite Punkt ist der Overhead durch Termine. Wenn du pro Woche 20-Stunden arbeitest und du davon zwei Mal in Zwei-Stunden-Terminen sitzt, dann ist ganz schön viel der Arbeitswoche auch schon weg.
Effiziente Termine als Vorrausetzung für effiziente Teilzeitarbeit
Das höre ich oft: Die Terminreduktion ist eine der großen Sachen, die man angehen muss, wenn vermehrt in Teilzeit gearbeitet wird.
Ja, das muss man so sehen. Wir hatten zum Beispiel zwei Entwickler, die haben beide in Teilzeit gearbeitet. Natürlich waren die dann in unseren Entwicklerterminen auch beide da, weil sie informiert werden müssen. Das heißt, da verdoppelt sich dieser Meeting-Overhead für diese zwei Teilzeitstellen gegenüber der Vollzeitstelle.
Da versuchen wir anzusetzen, indem wir unsere Termine nicht vertrödeln, sondern effizient gestalten – und trotzdem noch entspannt miteinander reden. Außerdem schauen wir immer genau, ob es den Termin auch wirklich braucht und ob es nicht möglich ist, das auf dem kurzen Weg schnell zu klären.
Es gibt Untersuchungen dazu, dass sich die meisten Menschen nicht länger als vier Stunden am Tag konzentrieren können. Inwiefern ergibt aus deiner Sicht überhaupt ein Acht-Stunden-Tag im Büro Sinn?
Ich würde dir zustimmen, dass ein Acht-Stunden-Tag nicht für alle notwendig ist. Ich glaube, das ist ein bisschen typbedingt.
Manche nehmen sich die Zeit, stehen auf, trinken was, unterhalten sich mit den Kollegen oder gehen eine Runde. Wenn man solche Pufferzeiten einbaut und sich hin und wieder aktiv resettet, kann man auch mehr als vier Stunden sinnvoll arbeiten. Manche können sich auch gar nicht vier Stunden am Stück auf die Arbeit fokussieren und vier Stunden im Tunnel an etwas arbeiten.
Ich sehe es auch so, dass es letztendlich eine Lifestyle-Entscheidung ist: Ob ich vier Stunden konzentriert durcharbeiten möchte und dann den Nachmittag den Nachmittag mit meinen Kindern verbringe oder ob ich lieber die Arbeit mehr zur sozialen Zusammenkunft mache und in diesem Rahmen mehr Zeit verbringe.
Jetzt komme ich zu meiner Abschlussfrage an dich als Experten für mentale Fitness und Gesundheit: Was kann ich denn selbst machen, um mich von meiner Arbeit weniger stressen zu lassen?
Unser Ansatz bei addisca beruht auf der Metakognition, dem Denken über das Denken. Die Forschung zeigt sehr gut: Stress entsteht im Kopf durch einen ungünstigen Umgang mit unseren gedanklichen Prozessen.
Ich habe jeden Tag automatische Gedanken: Ich sehe etwas und habe dazu einen Gedanken. Manche kümmern mich nicht, die ziehen weiter. Und manche beschäftigen mich, weil ich mich da dran aufhänge, weil mich da etwas stört. Die können Stress verursachen, die können auch schön sein.
Der Stress entsteht nicht durch den Inhalt der Gedanken, sondern dadurch, wie ich mit Ihnen umgehe. Und bei addisca lernst du den Umgang mit Gedanken. Und ganz konkret lernst du, wie du zum Beispiel mit Gedankenketten, Gedankenkreisen umgehst.
Auf einen Satz reduziert würde man sagen: Nimm deine Gedanken als das wahr, was sie sind, nämlich als Gedanken und nicht automatisch als die Realität. Das ist unsere Grundhaltung runtergebrochen.
Ich denke, gerade alleine im Home Office neigen viele dazu, sich in Gedankenketten und Denkkarussellen zu verlieren. Da wieder auszusteigen und den Fokus neu zu setzen, das halte ich für eine Kernkompetenz.
Vielen Dank für das spannende Gespräch, Arne!
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