Inzwischen beschäftige ich mich seit mehr als einem halben Jahr mit Karriereperspektiven jenseits der 40-Stunden-Woche. In dieser Zeit habe ich aus vielen Gesprächen gelernt, dass es mehr Wege zu einem anspruchsvollen Teilzeitjob gibt als man zunächst denkt:
1. Bewerbung auf eine Stellenausschreibung mit echter Teilzeitoption
Der erste Weg ist der offensichtliche: Die Suche nach guten Teilzeitstellen auf den verschiedenen Jobbörsen. Immerhin sind 14% aller Stellenangebote in Teilzeit ausgeschrieben.
Die dafür aus meiner Sicht am besten geeigneten Plattformen sind GoodJobs, Baito, Talents4Good, NGOjobs, HappierJobs, Superheldin, LinkedIn und mein eigener Newsletter.
Gute Teilzeitjobs in München, Berlin & remote
Jeden Donnerstag verschicke ich kostenlos Stellenangebote für gute Teilzeitjobs in München, Berlin und remote.
Vorteile
- Hohe Transparenz: Sowohl bei den Bewerbenden als auch bei den potenziellen Arbeitgebenden, dass Teilzeit kein Ausschlusskriterium ist
- Prinzipiell einfacher und gelernter Prozess: Bewerbung, Auswahl, Stellenangebot.
Nachteile
- Insgesamt überschaubares Angebot, insbesondere für Führungsposition und anspruchsvolle Stellen
2. Bewerbung auf eine Position im Jobsharing
Führungspositionen werden selten in regulärer Teilzeit besetzt. Immerhin stehen die Chancen für ein Tandem inzwischen etwas besser. Im Jobsharing teilen sich meistens zwei Personen eine Stelle und können so – jeweils in Teilzeit – eine Position abdecken, die hohe Verantwortung und hohe Verfügbarkeit voraussetzt.
Mein Eindruck ist, dass Jobsharing vor allem bei internen Besetzungen auf dem Vormarsch ist, während aktuell bei externen Besetzungen der Aufwand bei Jobsuchenden und Arbeitgebenden noch gescheut wird. Hier setzen in Deutschland Startups wie PairToShare und Tandemio an, die das Matching vereinfachen wollen. Aber auch auf den großen Jobbörsen gibt es zumindest nominell einige interessante Stellen, die im Jobsharing besetzt werden wollen.
Vorteile
- Oftmals tolle Stellen
- Kollaboratives Arbeiten im Team
Nachteile
- Hoher Aufwand beim Bewerbungsprozess, da im Vergleich zur Besetzung mit einer Person zusätzlich Bewerbende in ein Tandem gematcht werden müssen.
- Auf den großen Jobbörsen oft nicht ersichtlich, ob die Option auf Jobsharing wirklich besteht.
3. Bewerbung auf eine in Vollzeit ausgeschriebene Stelle
Der Fachkräftemangel macht den Stellenmarkt mehr und mehr zu einem sogenannten Bewerbermarkt. Das bedeutet, dass Unternehmen mit wachsender Dankbarkeit auf jede Bewerber:in blicken und flexibler auf die Wünsche von Jobsuchenden eingehen müssen.
Deswegen empfehlen Coaches und Berater:innen, es ruhig mit einer Bewerbung für den Traumjob zu probieren, selbst wenn dieser in Vollzeit ausgeschrieben ist und man selbst in vollzeitnaher Teilzeit (28 bis 32 Wochenstunden) arbeiten möchte.
Vorteile
- Theoretisch keine Einschränkung durch Teilzeitwunsch, da prinzipiell Bewerbung für jede Stelle möglich.
Nachteile
- Je nach Arbeitgebenden mehr oder minder großer Nachteil gegenüber sich bewerbenden Vollzeitkräften.
- Jobsuchende oft unsicher, wann im Bewerbungsprozess sie ihren Teilzeitwunsch offenbaren
4. Reduzierung einer Vollzeitstelle
Viele Teilzeitkräfte mit einer anspruchsvollen Stelle hatten genau die gleiche Position zunächst in Vollzeit besetzt und dann die Arbeitszeit an ihre aktuellen Lebensumstände angepasst.
Arbeitnehmende in Deutschland haben dazu auch ein gesetzlich verbrieftes Recht (Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge), sobald zwei Bedingungen erfüllt sind:
- Das Arbeitsverhältnis besteht schon länger als 6 Monate.
- Die Arbeitgeberin beschäftigt mehr als 15 Mitarbeitende.
Seit 2019 gibt es in Organisationen, die mehr als 45 Mitarbeitende beschäftigen, zusätzlich das Recht auf die sogenannte Brückenteilzeit. Damit können Beschäftigte ihre Arbeitszeit für einen vereinbarten Zeitraum zwischen 1 und 5 Jahre reduzieren und haben danach die Möglichkeit, wieder Vollzeit zu arbeiten.
Vorteile
- Keine Nachteile bei der Stellenbesetzung durch den Teilzeitwunsch
Nachteile
- Voraussetzung, zunächst mindestens ein halbes Jahr in Vollzeit zu arbeiten
- Aufgabenlast verringert sich nicht immer in gleichem Maß wie der Stellenumfang
- Reaktion der Vorgesetzten und der Mitarbeitenden nicht immer wohlwollend
5. Im eigenen Netzwerk nach guten Jobs suchen
Nur ungefähr ein Drittel aller Stellen landet auf dem offenen Stellenmarkt, zwei Drittel werden auf dem sogenannten verdeckten Stellenmarkt vergeben: Jemand kenn wen, der oder die die anstehenden Aufgaben super erledigen könnte und möchte. Das gilt natürlich auch für Teilzeitjobs.
Also: Rumfragen, das eigene Netzwerk anzapfen und ausbauen.
Vorteile
- Vielleicht diskrimiert der verdeckte Stellenmarkt sogar Jobsuchende mit Teilzeitwunsch etwas weniger, weil von Beginn an der Mensch mit seinen Fähigkeiten im Vordergrund steht und nicht eine definierte Stelle mit einer definierten Arbeitszeit.
Nachteile
- Während der Weg auf dem offenen Stellenmarkt zwar beschwerlich aber immerhin klar ist, ist der Prozess auf dem verdeckten Stellenmarkt unklar
6. Selbst den Teilzeitjob schaffen
In meinen Gesprächen mit Führungskräften in Teilzeit ist mir wieder aufgefallen, wie viele Menschen ihre Stelle einfach selbst schaffen: Sei es, indem sie die Abteilung in einem Startup selbst aufbauen und dann kein Weg an ihnen vorbeiführt. Oder indem sie direkt die Organisation, in der sie gerade arbeiten, ursprünglich selbst gegründet haben.
Alle, die im Land der Angestellten und Beamten gerne beruflich selbstständig unterwegs sind, können selbst steuern, wie und wie lange sie arbeiten. Auch für mich war die Möglichkeit, selbstbestimmt zu arbeiten, eine Hauptmotivation, mich selbstständig zu machen.
Vorteile
- Zumindest theoretisch die Möglichkeit, den Job nach den eigenen Wünschen zu gestalten
Nachteile
- Setzt viel Energie und Durchhaltevermögen voraus
Das sind die 6 Wege zu einem anspruchsvollen Teilzeitjob, die mir bisher begegnet sind.
Kennst du einen weiteren? Habe ich etwas vergessen?
Schreibe einen Kommentar