Ortsunabhängig und zeitlich flexibel: Wie klappt das in einer Agentur?

Das Image von Agenturen als Arbeitgeber:innen ist ausbaufähig – um es vorsichtig auszudrücken: Viel Druck durch knappe Deadlines, dadurch – oftmals unbezahlte – Überstunden und schlechte Bezahlung beim Berufseinstieg.

Ein kurzer Blick in die Profile und Mitarbeiterbewertungen großer Agenturen beim kununu zeigt, dass dieses Image durchaus die Lebenswirklichkeit vieler Mitarbeitenden widerspiegelt:

Vor allem die Burnout Rate ist sehr erschreckend. Das Thema ist allgegenwärtig und trotzdem wird nichts dagegen getan. Kollegen fallen monatelang aus, während der nächste eines Nachmittags vom Stuhl kippt.

Meine Woche begann mit dem 4 Uhr Wecker am Montagmorgen, um den Flieger um 6.30 h zu kriegen und hörte Freitag gegen 23 Uhr auf, wenn ich wieder in München gelandet bin.

The work-life balance was completely disregarded, with an overwhelming workload and unrealistic expectations causing employees to work long hours and sacrifice their personal time, leading to burnout and high turnover rates.

Mitarbeiter sollten wie Menschen behandelt werden und nicht nur ausgenutzt werden.

Doch auch in dem herausfordernden Umfeld der Agenturen gibt es solche, die es anders machen wollen. Eine dieser Agenturen ist ui/deation.

Steckbrief ui/deation

ui/deation ist eine Digitalagentur, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, gute Ideen in validierte und wirtschaftlich erfolgreiche digitale Lösungen zu übersetzen. Dabei setzt das Team aus Digital-Expert*innen auf iterative Prozesse und ein testgetriebenes, lernendes Design, um Innovationen schnell und gleichzeitig risikoarm auf den Markt zu bringen. 

gegründet 2012

Beschäftigtenzahl: 15

Davon in Teilzeit (32 Stunden oder weniger): 7

Davon überwiegend remote: 12

Offene Stellen: Aktuell 8 – hier entlang

Kontakt: Isabelle Kundoch – jobs@uideation.com

ui/deation bietet Beschäftigten auch flexible Arbeitszeiten und ortsunabhängiges Arbeiten in Deutschland an.

Ich habe mit Isabelle Kundoch über die Chancen und Grenzen flexiblen Arbeitens gesprochen. Isabelle ist bei ui/deation für Recruiting und HR verantwortlich.

Ihr bietet aktuell alle Stellen auch als 80%-Stellen an. War das schon immer so, oder ist das eine neuere Entwicklung?

Das war schon immer so. Ich bin jetzt seit ziemlich genau vier Jahren dabei und arbeite selber auch 32 Stunden. 

Am Anfang habe ich die 32 Stunden auf fünf Tage verteilt, weil das mit meinem familiären Leben besser passte. Seitdem die Kinder größer sind und ich viel im Homeoffice arbeite habe ich die 32 Stunden auf vier Tage geschoben.

Das ist auch das, was wir Mitarbeitenden anbieten: Dass man seine Zeitmodelle unkompliziert ändern kann. Wir haben alles zwischen 32 und 40 Stunden die Woche im Programm.

Also sind 32 Stunden die Grenze. Warum ist weniger nicht möglich?

Bei internen Rollen haben wir keine Grenze. So arbeiten die Kolleginnen im Online-Marketing und in der Buchhaltung weniger.

Aber innerhalb der Projekte arbeiten wir wirklich eng mit Kunden und Partnern zusammen. Da müssen wir dann gemeinsam in sogenannten Sprints Aufgaben abarbeiten. Dafür brauchen wir einfach eine gewisse Grundkapazität.

Wir haben es mit weniger als 32 Stunden ausprobiert. Aber leider hat sich das nicht bewährt. Da konnten die unterschiedlichen Rollen in unserem Team nicht mehr gleich schnell voranschreiten.

Wir sind keine Agentur, wo all an sieben verschiedenen Projekten arbeiten und man eine Stunde für diesen Kunden arbeitet und drei Stunden für diesen. Jede:r von uns ist Teil eines festen Teams, das auf einem Projekt arbeitet.

Wie stellt ihr sicher, dass sich dann die Projektteams mit unterschiedlichen Wochenarbeitszeiten gut abstimmen können?

Ich glaube, dass ist innerhalb der von uns ausgetesteten Grenzen zwischen 32 und 40 Stunden systemimmanent in der Art, wie wir arbeiten. Die einzelnen Projektteams haben ihre Rituale, einigen sich auf Kernarbeitszeiten, machen morgens ein Standup-Meeting [Anmerkung der Redaktion: jeder erzählt kurz seine Aufgaben für den Tag, typischerweise stehend] und haben Kundentermine. Daraus ergibt sich von selbst ein Wochenlayout. 

Außerdem haben wir uns auf Transparenz als eine Grundregel geeinigt: Man packt Off-Blocker in den Kalender, wenn man nicht da ist. Man packt die Abwesenheit in den Status unseres internen Kommunikationstools Slack. 

Dann haben wir noch unsere Teammeetings: Montagmorgen starten wir mit einem Monday Brunch mit allen, wo jede*r erzählt, was in der Woche ansteht.  Da geht es darum, einen Check-In zu machen: Wie geht es dir? Wie war dein Wochenende? Und dann dreht jede*r mit Emojis und Stickern frei.

Das hilft auch, um einzuschätzen, wie die anderen aus dem Wochenende gekommen sind. Ist jemand vielleicht gereizt? Muss ich da ein bisschen Rücksicht nehmen? Oder kann ich verstehen, wenn jemand verstimmt ist und weiß dann, okay, das geht jetzt nicht hier um das Projekt, sondern der hat gerade einfach zu Hause zwei kranke Kinder sitzen?

Damit starten wir in die Woche, gleiten dann so ein bisschen über in Updates aus der Strategie und Geschäftsleitung, und dann machen wir unser Standup-Format, so dass alle das Gefühl haben, sie wissen auch, was die anderen machen.

Außerdem gibt es jeden Morgen ein Writing Daily, wo jede:r die Aufgaben des Tages kommuniziert.

Transparenz ist eine der Regeln. Habt ihr noch andere?

Wir setzen bei allen voraus, proaktiv zu kommunizieren. Ein Beispiel: Wir haben Leute, die arbeiten nur jeden zweiten Freitag. Die weisen dann nochmals daraufhin: „Hey, denkt dran, dieser Freitag ist mein off Freitag.“

Wir suchen natürlich auch Leute, die genau das auch können: Eigenverantwortlich mit ihrer Zeit umgehen. Und wir haben da echt super, super Erfahrungen mit gemacht.

Ihr arbeitet remote. Macht ihr das schon immer oder – wie so viele Unternehmen – seit Corona?

Es war schon immer so, dass wir standortübergreifend gearbeitet haben. Die beiden Geschäftsführer und Inhaber, der eine wohnt in Köln, der andere in München, haben um sich herum ein Büro immer weiter gefüllt. 

Es gab auch schon immer Projekte, wo standortübergreifend gearbeitet wurde. Da gab es dann zweimal die Woche einen großen Videocall mit beiden Büros, wo man sich noch mal abgestimmt hat. Das heißt, das ganze Tooling, also Videokonferenzen, Slack, und auch Tools, um Aufgaben abzustimmen, etc., das stand alles schon. Es war auch möglich, nach Absprache im Homeoffice zu arbeiten.

Mit dem ersten Lockdown sind wir dann alle ins Homeoffice und hatten dann eine zeitlang gar keine Büros. In der Zeit, haben wir uns viel zusammengesetzt, um zu schauen, wie funktioniert das, wie geht es uns damit. 

Dabei kam raus, dass bei manchen die Situation zu Hause nicht ideal war und denen die Decke auf den Kopf fiel. Deswegen gibt es aktuell zwei Büroräume, aber deutlich kleiner, einen in München, einen Köln. Da wechseln wir uns so ein bisschen ab. Beziehungsweise, manche – zum Beispiel ich – arbeiten eigentlich zu 99 Prozent im Homeoffice.

Früher haben wir auch nur in Köln und München Mitarbeitende rektrutiert, weil wir von den Büros ausgegangen sind. Inzwischen rekrutieren wir bundesweit. Über den Anbieter Design Offices bieten wir dann auch in allen größeren Städten unseren Mitarbeitenden Infrastruktur an. So kann zum Beispiel unsere Kollegin in Stuttgart dort in den Coworking Space gehen, wenn sie Lust dazu hat.

Bundesweit remote heißt, dass ihr keine Mitarbeitenden in beispielsweise Portugal oder Zypern einstellt. Warum?

Wir treffen uns ein bis zwei Mal im Jahr zu Teamtagen, gelegentlich zu Projekt-Kickoffs und manchmal haben wir auch Kundentermine vor Ort. Die Reisezeiten und -kosten kriegen wir in unseren Projekten nicht unter.

Wir nehmen gerne Leute, die ausschließlich remote arbeiten möchten, die sich aber dann nach Absprache und zu manchen Gelegenheiten im Jahr, zum Beispiel wenn es noch was zu feiern gibt, auch mal in echt treffen wollen. Das ist Teil unserer Kultur. 

Wir sind dann doch keine digitalen Nomaden, die einfach irgendwo arbeiten, sondern verstehen uns als Verbund, als Team. Unsere Kultur, die wir gerne leben und die auch von Mitarbeitenden als was besonderes  herausgestellt wird, würden wir nicht hinkriegen, wenn die Leute sonst wo sitzen würden.

Was für Herausforderungen erlebt ihr dadurch, dass ihr bundesweit remote einstellt?

Wir suchen Leute, die remote arbeiten als etwas Positives für ihr Leben einschätzen. Manchmal ist es dann nicht zu einer Zusammenarbeit gekommen, obwohl es fachlich und menschlich total gut passte, weil manche sagen, ich brauche aber gerade ein Büro. Ich möchte in ein größeres Büro gehen, ich möchte 20 Leute sehen.

Das ist dann schade, weil man sich einig ist, dass man total gerne zusammenarbeiten würde. Aber das würde dann langfristig nicht passen. Wir versuchen im Recruiting-Prozess herauszufinden, ob jemand gerne remote arbeitet oder das eher in Kauf nimmt.

Wie schafft ihr es als Team zusammenzuwachsen, trotz der geringen und seltenen physischen Nähe?

Wir schaffen auch neben der Zeit, die wir gemeinsam in Video-Calls zur Arbeit verbringen, Raum für andere Dinge.

Zum Beispiel haben wir in Slack Kanäle, wo private Sachen geteilt werden. Zum Beispiel haben wir einen Kanal, in dem die Leute mittags rausgehen, Kuchen essen und dann ihren Kuchen fotografieren. 

Wir haben alle zwei Wochen eine Stunde, wo wir uns zusammensetzen und Leute aus Projekten zeigen, was sie gemacht haben und zu einem kleinen Thema einen Vortrag halten. Hier haben wir auch externe Speaker.

Für dieses ganze Thema „Wissen streuen, miteinander lernen“ reservieren wir viel Zeit. 

Auch haben wir zum Beispiel intern ein Coaching-Programm: Jede:r darf sich jemanden suchen, von dem man sich verspricht, in einem bestimmten Bereich gecoacht werden zu können. Ich habe zum Beispiel auch einen Mitarbeiter, mit dem ich alle mich zwei Wochen eine halbe Stunde zusammensetze, und zu bestimmten Themen spreche, bei denen ich das Gefühl habe, da ist er weiter als ich. Da geht es um die Themen Struktur, Prioritäten, Grenzen ziehen. 

Das ist toll, und das ist kein Mitarbeitergespräch, das wird nirgendwo dokumentiert. Das ist nur zwischen uns, und so haben die anderen Mitarbeiter das auch. Das schafft noch mal eine andere Ebene und eine andere Verbundenheit.

Und natürlich die Teamtage. Das sind immer zweieinhalb coole Tage. Da machen wir gemeinsame Strategieworkshops und gehen zusammen essen, und ja, machen Spökes.

Vielen Dank für das spannende Gespräch, Isabelle!

ui/deation ist eines der Pionierunternehmen im Verzeichnis teilzeitfreundlicher Arbeitgebenden.


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