Teilzeit ist auch eine Chance – Interview mit Martina Ludwig

Vor gut einem Monat habe ich Martina Ludwig kennengelernt. Sie bringt seit bald einem Jahrzehnt Menschen, die flexibel arbeiten möchten oder müssen, mit den passenden Unternehmen zusammen.

Sie macht also genau das, was ich auch – mit anderen Mitteln – mit der Teilzeitbörse erreichen möchte.

Außerdem ist sie eine sehr offene, sympathische Person, die mir in einer Stunde so viel Interessantes rund um Arbeiten in Teilzeit erzählt hat, dass für mich klar war: Ich möchte Martina Ludwig auch auf die Bühne meines Blogs holen.

Portrait Martina Ludwig

Die Gründung einer besonderen Personalberatung

Wie bist du dazu gekommen, eine auf flexible Arbeitsmodelle spezialisierte Personalberatung zu gründen?

Wir haben unsere Personalberatung 2014 gegründet, als unsere Kinder noch klein waren, wir in einem Konzern Teilzeit gearbeitet und gemerkt haben, dass wir trotz hoher Leistung und Flexibilität intern nicht mehr gefördert wurden und extern auf dem Arbeitsmarkt erst recht keine Chance hatten.

Personalberater riefen bei uns aufgrund unseres Profils an und würgten das Gespräch ab, sobald wir äußerten, dass wir uns einen Vertrag mit maximal 70% der Wochenarbeitszeit vorstellen würden. Und da es ja vielen Freundinnen und einzelnen Freunden auch so ging, wollten wir den Marktplatz für hochqualifizierte, aber flexibel Arbeitende eben selbst erschaffen.

Häring & Ludwig Personalberatung

Martina Ludwig und Christina Häring gründeten 2014 ihre Personalberatung, um im Raum München Arbeitgeber und KandidatInnen zusammenzubringen, für die Teilzeit und Flexibles Arbeiten kein Hinderungsgrund bzw. eine notwendige Voraussetzung ist und ein Win-Win für beide Seiten bietet.

Sie vermitteln Hochqualifizierte aus den Bereichen BWL, MINT, Kommunikation und Jura aus ihrem Kandidatenpool an kleine und mittelständische Unternehmen und beraten diese rund ums Thema Flexibles Arbeiten. Kandidatinnen, die sich direkt bei Unternehmen bewerben wollen, bieten sie telefonische/virtuelle Bewerbungsberatung und Coaching am konkreten Fall, von der Bewerbungsstrategie bis zur Interviewvorbereitung… und der gewünschten neuen Position.

www.haering-ludwig.de

Was hat sich auf dem Arbeitsmarkt verändert, seitdem ihr eure Personalberatung gegründet hat?

Für unsere Kandidatinnen wurde die Lage in den letzten Jahren besser, seitdem wegen der Frauenquotendiskussion Frauen ernsthafter berücksichtigt wurden, wenn sie etwa um die 80% anbieten.

Die Game Changer waren dann aber die Pandemie und der aktuelle Fachkräftemangel. Plötzlich war es selbst in konservativsten Unternehmen möglich, von zuhause zu arbeiten. 50% mobil zu arbeiten, egal wo, ist der neue Standard. Das, was wir schon immer gesagt haben, ist Fakt geworden: bei der Vertragsverhandlung hat die Diskussion über die Arbeitszeit- und Arbeitsortsouveränität ein ähnliches Gewicht wie die über das Gehalt.

Noch ist es den Unternehmen meist am liebsten in Vollzeit („Du darfst doch arbeiten, wann und wo Du willst!“), aber aufgrund des Fachkräftemangels wird eine reduzierte Vollzeit, so nennen wir das gern, auch akzeptiert. Das ist klar ein Marktmechanismus: wer händeringend gesucht wird, etwa eine Systemarchitektin oder ein Buchhalter, kann selbst bestimmen, wieviel Stunden es sein sollen.

Arbeiten in Teilzeit

Was macht aus deiner Sicht ein teilzeitfreundliches Unternehmen aus?

Das ist eine Haltungsfrage: wie groß ist die Wertschätzung, wie groß das Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen? Je größer, desto eher wird auch Teilzeit und mobiles Arbeiten möglich sein. Kleine und mittlere Unternehmen sehen eher den ganzen Menschen und denken tendenziell mehr in Leistung (Leistung als Output im Verhältnis zum Input, also gezahltem Gehalt!) und Potenzial für die Firma.

Teilzeit anzubieten ist ja auch eine Chance, Mitarbeiter zu gewinnen und binden. Viele große Unternehmen denken neben der in der Stelle nötigen Kompetenzen vor allem in Budgets und –  das ist der größte Verhinderer – Kopfzahlen. Noch immer gibt es Unternehmen, die auch intern über Kopfzahlen steuern. Wenn die Abteilung „einen Kopf“ einstellen darf, dann kann sie kein Jobsharing-Team einstellen und die 80% Teilzeitsuchende hat es auch schwer gegen Bewerber in Vollzeit.

Was sollte ich selbst als in Teilzeit Beschäftigter tun, damit Arbeiten in Teilzeit auch für Unternehmen gut funktioniert?

Flexibilität zeigen, wenn es für die Firma wichtig ist! Und sie souverän in Anspruch nehmen, wenn es für Dich wichtig ist. Flexibilität ist keine Einbahnstraße. Unsere Beobachtung ist, dass Teilzeitler motivierter, flexibler, weniger krank und produktiver sind als die, die notgedrungen einen Vollzeitvertrag unterschrieben haben. Wer ist wohl der oder die bessere Mitarbeiter/in? Wichtig ist es auch, gegenüber den Kollegen und Kolleginnen nicht immer die „Elternkarte“ zu ziehen, beim Urlaub, bei der Deadline, etc. Es muss schon rüberkommen, dass ich auch meinen Beitrag leisten will!

Bewerbung für Teilzeitstellen

Wie erkenne ich, ob ich für eine als Vollzeit/Teilzeit ausgeschriebene Stelle wirklich als Teilzeitmitarbeiter in Frage komme?

Das ist tatsächlich schwer zu erkennen. Wenn ich mindestens 80% anbiete, dann würde ich vorher nichts sagen und mich erstmal bewerben. Wenn wir super zueinander passen, sollten die acht Wochenstunden überbrückbar sein.

Wenn ich aber weniger arbeiten will, würde ich sicherheitshalber vorher anrufen. Am besten bei der Führungskraft, die die Stelle ausgeschrieben hat, nicht der Personalabteilung. Denn leider ist es so, dass viele Firmen Stellen standardmäßig als „auch in TZ möglich“ ausschreiben, die Abteilung das aber gar nicht angegeben hat. Und wenn sie dann den EINEN Kopf Budget hat, ist es klar, dass ich mir gar nicht die Mühe machen müsste.

Da ihr auch Coaching für Bewerber:innen anbietet: Welche Fehler beobachtest du häufig? Auf was sollten Bewerber:innen achten, die sich auf eine Teilzeitstelle bewerben?

Wenn die Stelle explizit in Teilzeit ausgeschrieben ist, ist doch eh schon alles gut! Schwieriger ist der Fall, wenn VZ/TZ ausgeschrieben ist. Und wenn ich, sagen wir mal, 20-25 Stunden arbeiten will, bitte nicht auf eine Vollzeitstelle bewerben, alle Vorstellungsgespräche durchlaufen und dann erst am Ende sagen, dass ich nur Teilzeit suche. Das ist unfair gegenüber der Firma, die ebenfalls Zeit und Energie in den Bewerbungsprozess investiert hat, sich nun getäuscht fühlt und gegenüber weiteren Bewerbern misstrauisch werden könnte.

Aber wichtiger als die Fehler sind die Chancen: Welche Firma passt zu mir, wo würde ich super gern arbeiten, was kann ich ihnen bieten? Ich muss eine Art „Pitch“ vorbereiten. Ist ein bisschen Arbeit, Selbstreflexion und Selbstdarstellung, aber es lohnt sich!

Vielen Dank für das Gespräch und die spannenden Antworten.

Und wer jetzt direkt mehr über die Häring & Ludwig Personalberatung wissen möchte: www.haering-ludwig.de


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